„Dir zuliebe!“

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„Dir zuliebe“ meint immer ein „mir zuliebe“, das man sich nicht eingesteht.

Ein häufiger Vorwurf in Paarkonflikten

Ein häufiger Vorwurf in Paarkonflikten ist: „Das habe ich alles Dir zuliebe getan – und wie hast Du mir das vergolten!“. Selbst wenn der Satz im Streit mit dem anderen so nicht fällt: Ich höre ihn häufig! „Ihr zuliebe habe ich so viel getan, und nun geht sie so mies mit mir um.“

Wenn ich höre, dass jemand „Dir zuliebe“ sagt, unterbreche ich und erkläre, dass es sich bei „Dir zuliebe“ meist um „mir zuliebe“ handelt. Und es dreht sich nach meinen Erfahrungen immer um „mir zuliebe“, wenn die „Liebestat“ später in einem Vorwurf als Argument gebraucht wird. Wenn es nämlich wirklich „Dir zuliebe“ gewesen ist, wird es nie zu einem Vorwurf umgestaltet.

„Mir zuliebe weiche ich dem Konflikt aus“

Es geht nämlich in der Regel darum, dass ich „mir zuliebe“ z.B. einem Konflikt ausweiche oder dass ich „mir zuliebe“ etwas nicht tue, vor dem oder vor dessen Konsequenzen ich sonst Angst hätte.

Die Beispiele sind Legionen, jeder kennt sie. „Dir zuliebe bin ich nicht ins Kino gegangen“. Nein, fair wäre zu sagen: „Mir zuliebe bin ich nicht ins Kino gegangen, dann musste ich nämlich deine schlechte Stimmung nicht aushalten“. Manche Leute sagen sogar, dass sie der Frau zuliebe Kinder gemacht hätten oder dem Mann zuliebe geheiratet hätten. Alles Bullshit, der von der eigenen Verantwortung und der Sicht auf sich selbst ablenken soll!

Deals werden auch in der Partnerschaft ausgehandelt

Auch wenn „Dir zuliebe“ Teil eines Deals wird, den ich mit dem anderen aushandele, dann ist es eben auch wieder ein „mir zuliebe“. Niemand läuft doch in einen Laden und sagt der Verkäuferin „Ihnen zuliebe bezahlen ich den ausgewiesenen Preis von 3 € für das Brot“! Und wenn man der Verkäuferin „ihr zuliebe“ Trinkgeld gibt, macht man es ihr niemals zum Vorwurf, nicht jetzt und nicht später. Dann war das Trinkgeld womöglich auch wirklich „ihr zuliebe“.

Bei einem Deal im Paar wird der Geruch des Handels gerne vermieden. Dann glaubt man, mit „Dir zuliebe habe ich das und das getan“ einen gerechten Vorwurf machen zu können. Unter Verleugnung, dass man in einem Handel Preise und Leistungen aufgerechnet hat!

Selbstverantwortung statt Vorwürfe

Also Schluss mit der Masquerade der Selbstlosigkeit, wo es keine Selbstlosigkeit gibt! Selbstlosigkeit ist wirklich schön, wo sie geschieht. Vermutlich gibt es keine Selbstlosigkeit, wenn man sich über seine eigene Selbstsucht oder seinen Egoismus hinwegtäuscht – und ihn dafür dem anderen vorwirft. Dafür braucht es Einsicht in eigenes Denken und Tun und Selbstverantwortung.