Grenzen in der Psychotherapie (wahren)

(Lesedauer ca. 3 Minuten)

Grenzen zwischen Therapeut und Klient in der Psychotherapie liebe- und respektvoll gestalten

Intimität nicht mit Sexualität verwechseln

Vor einiger Zeit hat mich eine ehemalige Patientin angeschrieben. Sie äußerte sich zur Gruppentherapie, die sie vor ein paar Jahren bei mir besuchte und ihr damals gut getan hatte. Wir freuten uns, dass sie sich nach dem Ende der Therapie weiterhin wohl fühlte.

In unserem Mail-Dialog sprach sie davon, dass es mir trotz aller Nähe in der Therapie gut gelungen sei, gesunde Grenzen zu wahren. Eine wichtige Grenze war für sie, dass ich Intimität nicht mit Sexualität und eine hilfreiche menschliche Nähe in der Therapie nicht mit Verlieben verwechsle.

Autonomie und Kontakt

Grenzen achten und wahren sind in der Therapie ein wichtiges Thema. Oft wird darauf abgezielt, dass sich Patienten besser abgrenzen lernen. Dann ist Thema, wie man sich vor Eingriffen in den eigenen Raum oder in die eigene Autonomie schützen kann. In Paargesprächen wird auch über die entgegengesetzten Bedürfnisse nach Nähe und nach Distanz gesprochen. Hier werden manchmal Wege gesucht, wie sich da ein schöner Tanz zwischen den Polen entfalten kann. Außerdem ist die Grenze der Ort, wo Kontakt entsteht!

Zuviel Nähe oder zuviel Distanz?

Ein anderes Grenz-Thema wird seltener in der Therapie selbst  zum Gesprächsthema gemacht: Wie viel Nähe und wie viel Distanz ist in der Therapie und in der therapeutischen Beziehung nötig und förderlich? Die Therapeuten haben meist eine bestimmte Schule durchlaufen, nach der sie sich richten. Körpertherapeuten fassen die Klienten wohl ab und zu körperlich an, Gesprächstherapeuten vielleicht nur zur Begrüßung und zum Abschied mit dem Handschlag, manche aber auch mit einer Umarmung.

Kann man ganz allgemein sagen, was richtig ist? Das glaube ich nicht. In der Psychotherapie gibt es Elemente einer Begegnung, die sich nur im speziellen Kontext und Verlauf dieser einzigartigen Begegnung als richtig und hilfreich erweisen. Es kann richtiger sein, jemanden zu einem gewissen Zeitpunkt bei bestimmten Gefühlen in den Arm zu nehmen, als auf Distanz zu beharren, die als krass lieblos und kalt empfunden wird. Andererseits kann es wichtig sein, eine Distanz zu wahren, die den Klienten bei sich sein lässt und sich selbst spüren lässt, anstatt etwas „weg zu trösten“.

Machtbeziehung oder Begegnung auf Augenhöhe?

Dem Psychotherapeuten kommt hier eine große Verantwortung zu, denn die therapeutische Beziehung kann recht asymmetrisch sein. Ein Klient kann sich eventuell nicht in der Lage fühlen, gut für sich zu sorgen, auf seine Grenzen zu achten, oder Vorschläge des Therapeuten abzulehnen. Er kann Angst haben, das Wohlwollen des Psychotherapeuten zu verlieren. Dann handelt es sich um eine Machtbeziehung. Beide Beziehungspartner in der Psychotherapie sollten daran interessiert sein, die Machtbeziehung zu beenden und eine kooperative Art von Beziehung zu gestalten.

Ich möchte in der Psychotherapie eine Beziehung auf Augenhöhe gestalten. Die Augenhöhe hat für mich nichts damit zu tun, dass einer um Hilfe beim anderen sucht. Augenhöhe hat mit Respekt, Achtung, Sehen und Hören zu tun. Eine höflich-distanzierte Beziehung kann überheblich sein und damit überhaupt nicht auf Augenhöhe. Eine Beziehung zu den eigenen Kindern kann von Respekt und Liebe getragen sein, und damit auf Augenhöhe gestaltet werden, auch wenn die Eltern mehr Macht haben.

Zustimmung

Bevor ich eine therapeutische Beziehung mit Patienten eingehe, frage ich nach ihrer Zustimmung. So treffe ich z.B. nach dem ersten Treffen keinerlei Abmachungen, mit niemandem. Jeder soll mindestens eine Nacht darüber schlafen, ob er/sie wieder Kontakt mit mir haben mag. Wer sich wieder meldet, hat einer weiteren therapeutischen Beziehung zugestimmt (ohne dass das etwas über die Dauer aussagt, es könnte auch nur ein weiterer Termin werden). Wenn ich den Eindruck in einer Begegnung habe, eine körperliche Berührung könnte angebracht sein, frage ich nach einer Zustimmung. Das gilt für bestimmte Übungen, zu denen ich anrege. Denn manchmal erscheint es einfach angebracht, jemanden z.B. den Rücken zu stärken. Ich frage also vorher, ob das okay ist.